Vorhaben

Die neue Versorgungsform GeMuKi ergänzt die gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft und im Kindesalter durch eine strukturierte, niedrigschwellige Präventionsmaßnahme in den Bereichen Bewegung, Ernährung und Genussmittelkonsum. Frauen werden während der Schwangerschaft und den ersten 12 Monaten nach der Geburt dabei unterstützt, gesundheitsförderliche Verhaltensweisen selbst zu entwickeln. Durch individuelle Beratungen (siehe Abbildung) mit Elementen der Motivierenden Gesprächsführung sollen die Gesundheitskompetenz der Schwangeren gefördert und lebensstilbedingte Risiken zur Entwicklung von Übergewicht und Adipositas reduziert werden.

GeMuKi besteht aus den folgenden Komponenten:

  1. Schulung der GeMuKi-Berater zur Umsetzung der Kurzintervention
  2. Kurzintervention als individuelle präventive Beratung
  3. Unterstützung der Beratung durch die Datenplattform GeMuKi-Assist
  4. GeMuKi-App
  5. Betreuung durch Studienkoordinatorinnen

1. Schulung der GeMuKi-Berater zur Umsetzung der Kurzintervention:

Zu Beginn der Implementierung wurden die Fachakteure (Frauenärztinnen, Hebammen, Kinder- und Jugendärzte sowie Medizinische Fachangestellte gynäkologischer und pädiatrischer Praxen) in einem eintägigen, kostenlosen Workshop speziell für die GeMuKi-Intervention geschult. Die Schulungsinhalte umfassten neben den Handlungsempfehlungen des Netzwerks Gesund ins Leben (Kernbotschaften zum gesunden Lebensstil), den zentralen Funktionen der Datenplattform GeMuKi-Assist und der Handhabung der GeMuKi-App v. a. die Grundlagen der Motivierenden Gesprächsführung (Motivational Interviewing, MI) als Beratungsmethode. Die Schulungen wurden durch erfahrene Trainerinnen des Netzwerks Gesund ins Leben (Ökotrophologinnen mit zusätzlicher Ausbildung in Motivierender Gesprächsführung) entwickelt und durchgeführt. Für die Teilnahme an der Fortbildung erhielten die Fachakteure Fortbildungspunkte.

2. Durchführung der Kurzintervention als individuelle präventive Beratungen:

Zu Beginn jedes Beratungsgesprächs wählt die Frau aus den zur Auswahl stehenden Themen anhand von eigens für das Projekt erstellten Beraterkarten das für sie relevanteste Thema. Beim ersten Termin zu Beginn der Schwangerschaft sollen in jedem Fall die Themen Gewichtsentwicklung in der Schwangerschaft sowie Rauchen und Alkohol angesprochen werden. Die Dauer der einzelnen Beratungseinheiten als Kurzintervention beträgt etwa 10 Minuten.

Als Gesprächsmethode werden ausgewählte Elemente der MI eingesetzt. Am Ende des Beratungsgesprächs setzt sich die Patientin ein individuelles (Gesundheits-)Ziel, das sie bis zur nächsten Vorsorgeeinheit verfolgen will. Bei allen nachfolgenden Beratungsterminen dient die Frage, wie die Frau mit dem zuletzt gesetzten Ziel zurechtgekommen ist, als Gesprächseinstieg. Die Ziele sollten im besten Fall SMART formuliert sein: spezifisch, messbar, aktionsorientiert/attraktiv, realistisch, terminiert. Die Frauen werden dabei unterstützt und motiviert, gesundheitsförderliche

Verhaltensweisen im Alltag zu etablieren. Angestrebt wird auch, dass Frauen bei erhöhtem Bedarf oder bestehenden Risikofaktoren (z. B. Adipositas, exzessive Gewichtszunahme, Bewegungsarmut, Verfolgen einer speziellen Ernährungsform) die Bereitschaft entwickeln, weiterführende professionelle Unterstützung bspw. von Ernährungstherapeuten oder Still- und Laktationsberatern anzunehmen. Entsprechende Adressen werden den Frauen in der GeMuKi-App sowie den Ärzten und Hebammen als Listen ebenfalls zur Verfügung gestellt. Zusätzlich zum Beratungsgespräch werden ausgewählte Materialien (Flyer, Broschüren und Aufkleber für Mutterpass und U-Heft) an die Frauen ausgehändigt, die die wichtigsten

Kernbotschaften zum gesunden Lebensstil in der Schwangerschaft, der Stillzeit und im Babyalter zusammenfassen. Die Schwangeren bzw. Mütter erhalten bei bestehender Versorgungskette aller Fachakteure im Rahmen der regulären Vorsorgeuntersuchungen bis zu elf individuelle Beratungen bei Frauenarzt,

Hebamme sowie Kinder- und Jugendarzt. Der Frauenarzt berät an vier Terminen

(S1–S4) während der Schwangerschaft, die Hebamme an drei Terminen (H1–H3) während der Schwangerschaft und nach der Entbindung, der Kinder- und Jugendarzt an vier Terminen (U3–U6) im Babyalter. Die GeMuKi-Berater können die Beratungsgespräche als Versorgungsleistung auf Grundlage eines mit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg und dem Hebammenverband

Baden-Württemberg geschlossenen Selektivvertrags abrechnen.

3. Unterstützung der Beratung durch die Datenplattform GeMuKi-Assist:

Bei GeMuKi-Assist handelt es sich um eine webbasierte Datenplattform, die eigens für das Projekt in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) entwickelt wurde und einfach-intuitiv zu bedienen ist. Die Datenplattform GeMuKi-Assist besteht aus drei Komponenten:

- Betreuungstool für Fachakteure (GeMuKi-Berater)

- Mobile App für die Teilnehmerin

- Administrationsoberfläche für die Studienkoordinatorinnen (für Datenmanagement im Rahmen der Studie)

Durch passwortgeschütztes Einloggen in das webbasierte Betreuungstool erhält der Fachakteur Zugang zu den digitalen Akten seiner GeMuKi-Patientinnen. Im Betreuungstool werden neben den medizinischen Daten aus Mutterpass und Kinderuntersuchungsheft für die wissenschaftliche Evaluation auch die Beratungsinhalte erhoben. Der Betrieb der Datenplattform und alle Prozesse der Datenverarbeitung entsprechen den Vorgaben der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und wurden in einem umfassenden Datenschutzkonzept berücksichtigt. Zur Unterstützung der Beratung sind in der Datenplattform die wichtigsten Empfehlungen zu jedem Thema zum Nachlesen sowie beispielhafte themenspezifische offene Fragen hinterlegt. Die Beratungsthemen sowie die mit der Frau vereinbarten Ziele werden dokumentiert.

Die individuellen Ziele der Patientin werden in einem Freitextfeld eingefügt. Über die GeMuKi-App werden die Teilnehmerinnen an ihre Ziele erinnert (s. u.). Zu jeder Patientin wird als Grafik die empfohlene Gewichtszunahme während der Schwangerschaft (10–16 kg für Normalgewichtige) angezeigt. Die individuelle Gewichtskurve jeder Frau wird anhand des Ausgangs-BMI vor Schwangerschaftsbeginn und der im digitalen Mutterpass des Betreuungstools eingetragenen Gewichtsdaten automatisch berechnet und dargestellt. Die Teilnehmerin selbst hat auf diese Gewichtskurve keinen Zugriff, kann aber bei Bedarf und Wunsch die grafische Darstellung beim Arzt- oder Hebammenbesuch einsehen. Bei übergewichtigen oder adipösen Patientinnen erscheint ein Hinweis, dass eine geringere Gewichtszunahme (maximal 10 kg) empfohlen wird. Sobald das Kind geboren ist und die entsprechenden Gewichtsdaten der Kinder laut U-Heft eingetragen sind, wird eine grafische Darstellung der individuellen Perzentilkurve des Kindes angezeigt. Der Beratungsverlauf (gewähltes Thema/Inhalte und gesetzte Ziele) pro Patientin ist für alle Behandler einer Patientin sichtbar. Dies dient der

Vernetzung der Berufsgruppen und dem Gesprächseinstieg. Zusätzlich unterstützt ein für alle Behandler einer Patientin einsehbares Notizfeld die interdisziplinäre

Zusammenarbeit bzw. die Optimierung der Versorgungskette als einem wichtigen Ziel von GeMuKi.

4. GeMuKi-App für Teilnehmerinnen:

Die Teilnehmerin nutzt die passwortgeschützte GeMuKi-App, um die im Beratungsgespräch mit Arzt und Hebamme gesetzten und niedergeschriebenen

Ziele einzusehen. Zusätzlich wird sie per Push-Nachricht zu ausgewählten Zeitpunkten an ihre Ziele erinnert. Zudem bietet die App ergänzende Informationen mit unterstützenden Materialien (z. B. Broschüren, Video zur Gewichtsentwicklung, Hinweis auf weitere Apps und Coaching-Programme), Adressen und Anregungen

für eine gesunde Lebensführung (z. B. über eine PLZ-Suche und eine Google-

Stichwortsuche). Die bereitgestellten Informationen wurden auf ihre Seriosität überprüft und sind mit allen Projektpartnern sowie mit dem Netzwerk Gesund ins Leben abgestimmt. Damit wird das persönliche Beratungsgespräch um wissenschaftliche Materialien zum Nachlesen ergänzt. Darüber hinaus beinhaltet die App eine Notizfunktion für persönliche Eintragungen. Anhand von in der App hinterlegten Fragebögen werden zu ausgewählten Zeitpunkten Daten zum individuellen Lebensstil erhoben.

5. Betreuung durch Studienkoordinatorinnen:

Ein Bestandteil der GeMuKi-Intervention besteht in der persönlichen und telefonischen Betreuung sowohl der Fachakteure als auch der Teilnehmerinnen

durch regional verantwortliche Studienkoordinatorinnen. Alle teilnehmenden Fachakteure wurden im Rahmen einer persönlichen Einweisung durch die Studienkoordinatorinnen mit den Studienmaterialien und -abläufen sowie der Nutzung der Datenplattform GeMuKi-Assist vertraut gemacht. Ärzte und Hebammen werden bei der Umsetzung der Beratungen in der Praxis mit Tipps unterstützt, es werden Hinweise zu SMARTen Zielformulierungen gegeben. Bei fachlichen Fragen der GeMuKi-Berater – z. B. zu besonderen Ernährungsweisen – können die Studienkoordinatorinnen kontaktiert und ggf. eine Zusammenarbeit mit

erfahrenen Fachkräften vermittelt werden. Über die Datenplattform GeMuKi-Assist (speziell: Administrationsoberfläche) überprüfen die Studienkoordinatorinnen alle Daten auf Vollständigkeit und Plausibilität. Fehlende oder unplausible Daten werden nachgetragen bzw. korrigiert. Die Studienkoordinatorinnen stellen sowohl den Fachakteuren als auch den Frauen selbst Kontakt-Listen mit an GeMuKi teilnehmenden Frauenärzten, Hebammen sowie Kinder- und Jugendärzten in der

Region zur Verfügung. Dies dient der verbesserten Vernetzung der GeMuKi-Berater und der Optimierung der Versorgungskette für die Frauen.