Europäische "Kindergarantie": Fachgespräch zur Ernährungssituation von Kindern in Deutschland

Europäische „Kindergarantie“

Die Plattform Ernährung und Bewegung e. V. (peb) richtet gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) ein digitales Fachgespräch zur europäischen „Kindergarantie“ aus.

  • Wie steht es um die Kinderernährung in Deutschland?
  • Was muss Deutschland tun, um die Europäische Kindergarantie national umzusetzen?
  • Und welche Erfahrungswerte und Empfehlungen können von Deutschland an die Europäische Union gehen?

Diesen Fragen gehen ausgewählte Expertinnen und Experten am 31. Mai 2021 auf einer Online-Veranstaltung nach. 

Was ist die „Europäische Kindergarantie“?

Die „Europäische Garantie für Kinder“ möchte allen armen und armutsgefährdeten Kindern in Europa Zugang zu den Ressourcen garantieren, die sie für ihr Wohlergehen und ihre Entwicklung benötigen Dazu gehören:

  • der Zugang zu kostenloser medizinischer Versorgung,
  • unentgeltliche Bildung, 
  • kostenlose Betreuungseinrichtungen, 
  • angemessene Wohnverhältnisse und
  • geeignete Ernährung.

 „Ein starkes Signal“

„Die Plattform Ernährung und Bewegung e.V. unterstützt die zentrale Empfehlung zur Kindergarantie hinsichtlich des Themenfelds Ernährung nach mindestens einer ausgewogenen Mahlzeit pro Schultag sowie einem einfachen und erschwinglichen Zugang zu ausgewogener Ernährung voll umfänglich. Dabei sollten die entsprechenden Qualitätsstandards (z.B. DGE-Qualitätsstandards für Gemeinschaftsverpflegung) gewährleistet sein", sagt peb-Vorstandsvorsitzender Gerhard Koch.

Und ergänzt:" Neben diesem Angebot ist jedoch auch flächendeckende Ernährungsbildung für Kinder und Eltern erforderlich, damit eigenverantwortliche Entscheidungen für eine ausgewogene Ernährungsweise getroffen werden können. Letztlich ist die ungleiche Verteilung von ausgewogener Ernährung in der Bevölkerung Ausdruck sozioökonomischer Ungleichheit, die zur Ungleichheit hinsichtlich gesundheitlicher Chancen führt. Maßnahmen der Gesundheitsförderung und zur Förderung der Ernährungskompetenz erreichen derzeit zumeist Familien mit mittlerem oder höherem sozioökomischen Status. Dieses "Präventionsdilemma" zu überwinden, muss das Ziel der Gesundheitsförderung sein, die gemeinsam durch alle gesellschaftlichen Kräfte getragen wird, die die Lebenswelt von Kindern und Familien prägen und wäre ein starkes Signal", so der Arzt für Kinder- und Jugendheilkunde, Gerhard Koch.

In Deutschland begleitet die AGF das Anliegen mit Fachgesprächen zu den Kernpunkten der Kindergarantie. Die Partnerschaft für das Fachgespräch zur Ernährungssituation von Kindern in Deutschland hat peb übernommen.

„Wir freuen uns, als Plattform für konstruktiven Austausch der Kindergarantie ein Stück Weg zu ebnen und wertvolle Impulse im europäischen Kontext weiterzuleiten.“ 

Mirko Eichner, peb-Geschäftsführer

Ernährungsgerechtigkeit und soziale Unterschiede

Das Fachgespräch wird die Situation der Kinderernährung in Deutschland beleuchten. Dazu spricht Julika Loss, die seit Mitte 2020 das Fachgebiet Gesundheitsverhalten des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin leitet und zuvor als Professorin für Medizinische Soziologie an der Universität Regensburg forschte. Einen Impuls, inwieweit soziale Unterschiede bei der Kinderernährung eine Rolle spielen und ob es so etwas wie „Ernährungsgerechtigkeit“ überhaupt geben kann, gibt Stephan Wahlen, Professor für Ernährungssoziologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen


Ein weiterer Fokus des Fachgesprächs liegt auf der langfristigen Bedeutung der „ersten 1000 Tage“ im Leben von Kindern mit Blick auf ihre Ernährung, der so genannten Perinatalphase. Expertinnen wie Regina Ensenauer vom Max-Rubner-Insititut, die auch Mitglied der Ernährungskommission ist sowie Aleyd von Gartze (Deutscher Hebammen Verband), Mechthild Paul (Nationales Zentrum frühe Hilfen) und Maria Flothkötter (Netzwerk gesund ins Leben) bringen ihr Wissen ein. 

Gesundes Essen an Kitas und Schulen?

Wie sieht es hierzulande an Kitas und Schulen in punkto ausgewogener Ernährung aus? Hierzu nehmen diese Expertinnen Stellung: Ulrike Arens-Azevedo, Professorin für Oecothrophologie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg), Waltraud Weegemann vom Deutschen Kita-Verband, Katja Fläming, die über „pädagogische Angebote“ in der öffentlichen Kindertagesbetreuung promovierte (Deutsches Jugendinstitut), Sabine Schulze-Grewe von der Vernetzungsstelle Schul- und Kita-Verpflegung, Petra Hottenroth (Kontrollstelle Schulessen in Berlin) und Anke Oepping, die als promovierte Ernährungswissenschaftlerin seit 2016 das Nationale Qualitätszentrums für Ernährung in Kita und Schule (NQZ) leitet. 

Fahrplan zur „Kindergarantie“ – Nächste Schritte

Abschließend wird das Expert:innnen-Gremium die Frage erörtern, welche Schritte für die Umsetzung der „Kindergarantie“ in Deutschland eingeleitet werden müssen. Wie kann der Fahrplan zur „Kindergarantie“ aussehen? Dazu werden Aspekte unterschiedlicher Kräfte aus Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft und ihre möglichen Beiträge berücksichtigt. 

Hintergrund: #EUChildGuarantee – Europäische "Kindergarantie"

Die europäische "Kindergarantie" soll das Recht auf ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen umsetzen. Kinder sind in Europa die Gruppe, die am stärksten von Armut bedroht ist. Mit der Initiative für eine Gemeinsame Erklärung von EU-Mitgliedstaaten kam Deutschland zusammen mit Portugal und Slowenien, seinen Partnern bei der Trio-Präsidentschaft im Rat der EU, der Zusage nach, den Prozess der europäischen "Kindergarantie" konstruktiv zu begleiten. 

Bereits 2015 forderte das Europäische Parlament eine "Kindergarantie". Diese soll dafür sorgen, dass von Armut betroffene Kinder in Europa Zugang zu 

  • frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung
  • Bildung und schulbasierten Tätigkeiten
  • mindestens einer gesunden Mahlzeit pro Schultag
  • Gesundheitswesen

erhalten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte die Bekämpfung der Armut von Kindern und Familien durch eine europäische "Kindergarantie" zu einer Priorität. Anfang 2021 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Ratsempfehlung vorgelegt, die ein Bestandteil der umfassenden Kinderrechtestrategie ist und nun noch von den Mitgliedstaaten angenommen werden muss.
 

Weiterführende Links:

  • Am 24. Februar 2021 diskutierten 300 digital Teilnehmende aus Gesundheitswesen, Politik und Sport die Frage, warum öffentliche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial besser gestellten Familien erreicht. Hier können Sie den gemeinsamen Kongress der Plattform Ernährung und Bewegung und des Lebensmittelverbands Deutschland auf YouTube noch einmal ansehen und die PDF-Dokumentation herunterladen