Drei Fragen an Lale-Trainerin Souhaila Chakkour

Souhaila Chakkour aus Düsseldorf wurde im Mai 2016 zur Lale-Trainerin geschult und ist seither sehr aktiv. Die Oecotrophologin und zertifizierte Ernährungsberaterin hat unter anderem in Zusammenarbeit mit der Kommunalen Integrationszentrum Mettmann Lale-Kurse für Geflüchtete gegeben und als Bildungsreferentin für die Verbraucherzentrale NRW gearbeitet.

Foto: Souhaila Chakkour.

Drei Fragen, drei Antworten

Projektkoordinatorin Anja Kretzer im Gespräch mit Lale-Trainerin Souhaila Chakkour

Was ist denn Ihrer Meinung nach der Besonderheit der Initiative „Lale-iss bewusst & sei aktiv!“ und wie sind Sie zu Lale gekommen? 

Die Besonderheit der Lale-Initiative liegt daran, dass sie das einzige zielgruppenspezifische Angebot für Familien mit Migrationshintergrund ist. Bis 2011 gab es nämlich keine in der Art. Ein großer Vorteil der Lale-Kurse ist natürlich auch die Mehrsprachigkeit. Erstmals war es türkisch und seit 2016 wurde die Lale-Schulung für alle anderen Sprachen eröffnet, die von zertifizierten Ernährungsfachkräfte beherrscht werden. Ich biete meine Lale-Kurse sowohl auf Arabisch als auch auf “einfaches” Deutsch, wenn die Teilnehmer verschiedene Nationalitäten haben. Lale ist ein besonderer Ernährungskurs, der die individuellen Bedürfnisse von Familien mit Migrationshintergrund, wie z.B. Essgewohnheiten, Kultur und religiösen Besonderheiten im Blick hat. Lale sensibilisiert Eltern für ausgewogene Ernährung und aktiver Lebensstil. Die Eltern werden durch praxisnahe Tipps und Tricks für einen gesunden Alltag motiviert. 

In 2016 habe ich zufällig beim Kinderarzt in einer Eltern-Zeitschrift einen Artikel über Lale-Initiative gelesen. Das begleitende Bild hat mich angezogen, da die Frauen auch wie ich Kopftuch tragen. Im Artikel wurden Eltern dazu eingeladen, sich bei der Plattform Ernährung und Bewegung e. V. zu melden und sich über die Teilnahme an Lale-Kurs in der Nähe zu informieren. Als mehrsprachige Oecotrophologin mit Migrationshintergrund hat mich der Artikel sofort angesprochen und ich habe mich direkt bei der lieben Frau Kretzer mehr informiert und mich für die nächstmögliche Schulung angemeldet.

Wer nimmt an Lale -Angeboten teil und warum?  Was erwarten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Lale und was bringen diese denn vielleicht selbst ein?

Es sind Müttern und das passt auch! Da die meisten Mamas sich um das leibliche Wohl der Familie kümmern und dementsprechend möchten sie deren Familienmitglieder gesunde Mahlzeiten anbieten. Diese Frauen verfügen über unterschiedliche Kenntnisse was Ernährungsinformationen und Esskultur angeht. Man braucht als Ernährungsfachkraft ein sehr breites Ernährungswissen, weil auch sehr viele Fragen gestellt werden. Ich lerne durch die Teilnehmerinnen sehr viel über deren Esskultur und Essverhalten und sie nehmen fachfundiertes Ernährungswissen mit, was sie durch die mitgegebenen alltagtauglichen Tipps und Tricks in ihrem Lebensstil einfach integrieren können. Sie zeigen großes Interesse und viel Engagement. 

Welche Perspektiven sehen Sie für Lale? Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Lale?

Ich möchte gerne nochmal drauf hinweisen, dass das Lale-Konzept von der Zentralen Prüfstelle Prävention als Präventionskurs gemäß Paragraph 20 SGB V zertifiziert ist. Das heißt, der Kurs ist anerkannt bei den Krankenkassen und wird für die Versicherten bezuschusst. Einfacher gesagt: Die Teilnehmer melden sich bei der zertifizierten Ernährungsfachkraft an, gehen in Vorkasse und nach regelmäßiger Teilnahme können sie jedoch mit der Teilnahmebescheinigung zu ihrer Krankenkasse gehen und ca. 80 Prozent der Gebühren erhalten. Viele Menschen mit Migrationshintergrund kennen diese Präventionsangebote der Krankenkassen jedoch leider nicht. Hier besteht noch großer Aufklärungsbedarf!! Dies lässt mich sehr positiv und optimistisch auf die Zukunft von Lale blicken. In 2019 gab es 21,2 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, dies entspricht einen Anteil von 26 Prozent der Gesamtbevölkerung. Diese leben bereits sehr lange in Deutschland. Dennoch sind sie sozial und kulturell wenig in die deutsche Gesellschaft eingegliedert und über deren Ernährungsgewohnheiten ist wenig bekannt. Viele Studien deuten drauf, dass in manchen Migrantengruppen das Risiko für ernährungsbedingte Krankheiten höher als im Heimatland ist und sogar höher als in der deutschen Bevölkerung ist!! Aus diesem Grund sollte das Ernährungsverhalten dieser Bevölkerungsgruppe stärkere Aufmerksamkeit bekommen! Und genau da sehe ich ein riesiges Entwicklungs- und Entfaltungspotential!! 

Meine Wünsche für Lale: Lale leistet einen Beitrag zur Übergewichtsvorbeugung bei Kindern und Familien mit Migrationshintergrund. D. h. je mehr Eltern (Vorbildfunktion) wir erreichen, desto kleiner wird die Zahl der übergewichtigen Kinder und Jugendlichen in der Gesellschaft. Vor allem in der aktuellen Situation der Pandemie können wir durch die Digitalisierung des Lale-Kurses immer mehr Menschen erreichen. Da braucht die Initiative aber weiterhin Unterstützung von den engagierten Kooperationspartnern, um diese tolle Gesundheitsziele zu erreichen! Denn wir alle wünschen uns einen gesunden Lebensstil mit balanciertem Ernährungsverhalten und viel Bewegung, egal woher wir kommen!

Über das Projekt Lale:

Die Initiative Lale – iss bewusst & sei aktiv! wurde im Jahr 2011 durch das Verbraucherschutzministerium NRW gemeinsam mit Partnern aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zur Vorbeugung von Übergewicht ins Leben gerufen. Ziel der Initiative ist es, Erwachsenen mit Migrationshintergrund im Rahmen von Kursen Anregungen und Hilfestellung zu geben, um ihren Familienalltag gesund und aktiv zu gestalten. 


Von 2011 bis 2013 wurde in einer Entwicklungs- und Anschubphase ein Konzept mit Kursleitungsmanual entwickelt, das im Mai 2014 durch die Zentrale Prüfstelle Prävention zertifiziert wurde. Die erfolgreiche Zertifizierung und die Rezertifizierung im Jahr 2018 bedeutet, dass Teilnahmegebühren für Lale-Kurse von den gesetzlichen Krankenkassen anteilig erstattet werden können.


Auf Basis des Kursleitungsmanuals wurden in Weiterbildungsmaßnahmen qualifizierte Ernährungs- und Bewegungsfachkräfte zu Lale-Trainer/innen geschult. Diese vermitteln in Lale-Kursen für Eltern mit Migrationshintergrund alltagsnahe Informationen rund um die Themen Ernährung und Bewegung.
Zu Beginn richteten sich die Lale-Kurse an türkeistämmige Erwachsene. Von 2014 bis 2016 wurde Lale in NRW kontinuierlich weiterentwickelt und neuen gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst. Ein wichtiger Schritt war dabei die Modifizierung des Konzepts mit der Ausweitung der Zielgruppe auf alle Menschen mit Migrationshintergrund sowie die Weiterentwicklung des Angebots außerhalb von Präventionskursen.

Lale ist das türkische Wort für Tulpe, es wurde für die Initiative gewählt, weil es als Symbol für Wohlbefinden und ein gesundes Leben gilt.