Aus der Corona-Pandemie lernen: #ÜbergewichtspräventionNeuDenken

Empfehlungen der Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb) zur Bundestagswahl 2021

Zeit zu handeln: Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland haben im Vergleich zu den 90er Jahren stark zugenommen. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie waren 15,4 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland übergewichtig und 5,9 Prozent adipös. Zwar stagnierte diese Entwicklung seit mehreren Jahren (auf zu hohem Niveau), die dramatisch zurückgehenden Bewegungszeiten während der Corona-Pandemie lassen jedoch erwarten, dass sich die Situation weiter verschärft. 

Die Ursachen für die Entwicklung von Übergewicht sind multifaktoriell bedingt. Da die Therapie von Übergewicht und Adipositas sehr aufwändig und zu selten nachhaltig erfolgreich ist, bleiben Prävention und Gesundheitsförderung, insbesondere bezogen auf Kinder und Jugendliche, der Königsweg, um der Verbreitung von Übergewicht zu begegnen. 

Corona verstärkt Folgen des Präventionsdilemmas

Das Risiko für Übergewicht und Adipositas ist für Kinder aus Familien mit geringem sozioökonomischem Status am höchsten. Zugleich profitiert diese Gruppe kaum von verhaltensbezogenen Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung. Dieses Präventionsdilemma verhindert die gesundheitliche Chancengleichheit. Die soziale und gesundheitliche (Chancen)Ungleichheit in der Bevölkerung wird durch die Folgen der Corona-Pandemie noch verstärkt. Psychische und körperliche Belastungen haben deutlich zugenommen und lassen langfristige gesundheitliche Folgen sowie das Ansteigen der Übergewichtsprävalenz erwarten.

#ÜbergewichtspräventionNeuDenken - 5 Empfehlungen

Gesundheitsförderung für Kinder und Jugendliche langfristig unterstützen

►1.

Insbesondere Familien mit niedrigem sozioökomischen Status brauchen Selbstwirksamkeitserfahrungen, um ihren Lebensstil zu verändern, ihren Alltag bewegter zu gestalten und sich ausgewogener zu ernähren. Das „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention“ und die daran anknüpfenden Bestimmungen (zum Beispiel Landesrahmenvereinbarungen, Leitfaden Prävention GKV) sollten dahingehend spezifiziert werden, dass die beteiligten Leistungsträger noch stärker verpflichtet werden, Maßnahmen und Strukturen dauerhaft zu etablieren, die insbesondere sozial benachteiligte Familien erreichen und diesen Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen. 

►2.

Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung sollten wissenschaftliche Wirkungsmodelle zugrunde liegen und sie sollten nach wissenschaftlichen Kriterien und unabhängig evaluiert werden. Das „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention“ und die daran anknüpfenden Bestimmungen (z.B. Landesrahmenvereinbarungen, Leitfaden Prävention GKV) sollten um ein Evaluationssystem ergänzt werden, das die beteiligten Leistungsträger gewährleisten müssen:

⇒ Definition von Qualitätskriterine für die Evaluation und verpflichtendes Evaluationsbudget von mindestens 10 Prozent des Gesamtbudgets

 Aufbereitung der Evaluationsergebnisse nach verbindlichen Kriterien und Veröffentlichung über eine zentrale Institution, sodass diese systematisch für die Planung neuer Maßnahmen genutzt werden können

⇒ Die Beteiligung weiterer Akteure aus dem Handlungsfeld Gesundheitsförderung (z.B. Bundes- und Landesregierungen, Stiftungen, Vereine etc.) an diesem Evaluationssystem sollte ermöglicht und gefördert werden. 

►3.

Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention entfalten dann ihre größte Wirkung, wenn sie möglichst früh ansetzen. Forschungsergebnisse zur perinatalen Programmierung zeigen, dass das Ausgangsgewicht der Schwangeren sowie das „Fenster der ersten 1.000 Tage“ (Empfängnis bis zum 2. Geburtstag des Kindes) entscheidend für die gesundheitliche Entwicklung sind. Daher sollten Maßnahmen und Strukturen die hier ansetzen und alle Bevölkerungsgruppen erreichen, in besonderer Weise gefördert werden. 

Die Strukturen der „Frühen Hilfen“ (insbes. das Nationale Zentrum Frühe Hilfen) sollten gesetzgeberisch weiter unterstützt, systematisch ausgeweitet und um Aspekte der Gesundheitsförderung ergänzt werden.

Die gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen bei Gynäkolog:innen, Hebammen sowie Kinder- und Jugendärzt:innen bis zum 2. Geburtstag sollten um verpflichtende Inhalte zu ausgewogener Ernährung, angemessener Bewegung und einem gesundem Lebensstil erweitert werden. Die erhobenen Daten sollten digital erhoben, verarbeitet und an die anderen beteiligten Berufsgruppen übertragen werden. Bei Bedarf soll in das Netzwerk der Gesundheitsberufe weitervermittelt und die Zusammenarbeit aller beteiligten Gesundheitsberufe sollte gefördert werden.

►4.

Um sozial benachteiligte Familien besser zu erreichen, sollten Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention in den entsprechenden Lebenswelten und vorhandenen Strukturen (Settings) wie Kitas, Schulen und Kommunen verankert und niedrigschwellig gestaltet werden. Vergleichbar mit dem DigitalPakt Schule sollte eine Initiative auf den Weg gebracht werden, die über ausreichende Ressourcen verfügt, um die Strukturen und alltäglichen Abläufe in den Lebenswelten Kita, Schule und Kommune nachhaltig gesundheitsfördernd zu gestalten. Neben inhaltlicher Unterstützung ist die externe Prozessbegleitung unverzichtbar, damit individuell passende Lösungen entwickelt und nachhaltig verankert werden können. 

►5.

Die „Kindergarantie“ ist eine Initiative der Europäischen Kommission mit dem Ziel, jedes bedürftige Kind in der EU zu unterstützen. Jedes Kind in Europa soll entsprechend seiner grundlegendsten Rechte Zugang zu den Ressourcen haben, die es für sein Wohlergehen und seine Entwicklung benötigt. Dazu gehören der Zugang von Kindern zu kostenloser medizinischer Versorgung, unentgeltlicher Bildung, kostenlosen Betreuungseinrichtungen, angemessenen Wohnverhältnissen und geeigneter Ernährung. Die Bundesregierung sollte entsprechende Maßnahmen ergreifen, um den Kindern den Zugang zu diesen Rechten zu ermöglichen. Die nationale Strategie der Bunderegierung zur Umsetzung der Kindergarantie sollte auch die hier aufgeführten Empfehlungen einbeziehen. 

 

Kompetenzen und Expertise der Plattform Ernährung und Bewegung (peb) nutzen

Eine Initiative zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Übergewichtprävention für Kinder und Jugendliche kann insbesondere dann erfolgreich sein, wenn alle gesellschaftlichen Kräfte beteiligt sind, die Verantwortung für das gesunde Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen tragen.

peb als Partner

 kann beispielsweise:

  • den erforderlichen Multi-Stakeholder-Prozess moderieren und steuern, 
  • Qualitätskriterien, Handlungsempfehlungen, Maßnahmen etc. entwickeln und erproben, 
  • als Kompetenzzentrum und Think Tank dienen,

indem peb als breites gesellschaftliches Bündnis, Akteure aus Wissenschaft, öffentlicher Hand, Lebensmittelwirtschaft und Zivilgesellschaft miteinander verknüpft.

peb kann umfangreiche Expertise und Erfahrungen hinsichtlich der o.g. Empfehlungen vorweisen:

  • Wissenschaftliche Wirkungsmodelle und Evaluationssystem: peb evaluiert alle Projekte und Maßnahmen konsequent nach vergleichbaren Standards und stellt diese Erkenntnisse anderen Akteuren zur Verfügung.
  • Perinatale Programmierung: Das Projekt „Gemeinsam gesund: Vorsorge plus für Mutter und Kind“ (GeMuKi) stärkt die fachübergreifende Gesundheitsberatung für Schwangere und junge Eltern. Das von peb geführte Konsortium wird aus den Mitteln des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert und ist im Themenfeld 3: „Verbesserung der Kommunikation mit Patientinnen und Patienten und Förderung der Gesundheitskompetenz“ verortet.
  • Kindergarantie: Zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) hat peb ein Fachgespräch zum Thema „Ernährung im Kindesalter“ im Kontext der Kindergarantie ausgerichtet. Die Ergebnisse dieses Gespräches werden zurück an die Europäische Kommission gekoppelt, die auf der Grundlage der Rückmeldungen aus den EU-Mitgliedsstaaten die nächsten Schritte zur Durchsetzung der Kindergarantie plant.

 

 

Downloads:

Empfehlungen der Plattform Ernährung und Bewegung e. V. (peb) zur Bundestagswahl 2021 hier als PDF-Dokument herunterladen.