Stellungnahme von peb zum „Eckpunktepapier: Weg zur Ernährungsstrategie der Bundesregierung“

Die Plattform Ernährung und Bewegung (peb) begrüßt die im „Eckpunktepapier: Weg zur Ernährungsstrategie der Bundesregierung“ am 21.12.2022 vorgelegten Ansatzpunkte zur Entwicklung einer Ernährungsstrategie.

Die Plattform Ernährung und Bewegung hat sich der Gesundheitsförderung, insbesondere im Bereich Übergewichtsprävention für Kinder und Jugendliche, verpflichtet. peb setzt sich für einen gesunden Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und mehr Bewegung ein und arbeitet dafür mit Akteur:innen aus Wissenschaft, öffentlicher Hand, Wirtschaft, Zivilgesellschaft sowie des Gesundheitswesens zusammen. Die Plattform Ernährung und Bewegung unterstützt die folgenden Punkte in besonderer Weise und bietet an, ihre Kompetenzen und Erfahrungen einzubringen:

zu A. Präambel

  • One Health: Nur in einer gesunden Umwelt können Kinder gesund aufwachsen. Die Handlungsfelder Gesundheitsförderung sowie Umwelt- und Klimaschutz weisen große Überschneidungen auf. Doch die bestehenden Synergiepotenziale werden noch zu wenig genutzt. Was fehlt, ist die systematische Verzahnung der Akteur:innen aus beiden Handlungsfeldern, sodass Maßnahmen entwickelt und umsetzt werden, die gleichermaßen darauf abzielen, Kindern ein gesundes Aufwachsen in einer gesunden (Um)welt zu ermöglichen. Ein Beispiel hierfür ist die „Planetary Health Diet“, die als globale Ernährungsempfehlung darauf abzielt, die Gesundheit des Menschen und des Planeten gleichermaßen zu schützen.
  • Kindergesundheit: Je früher Prävention und Gesundheitsförderung einsetzen, desto höher ist die Chance, dass ein gesunder Lebensstil ein Leben lang beibehalten wird. Insbesondere in den ersten 1.000 Tagen (Empfängnis bis 2. Geburtstag), sind (werdende) Eltern bereit, ihren Lebensstil gesundheitsfördernder zu gestalten. Dieses Zeitfenster gilt es für Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung zu nutzen. Mit dem durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesauschusses geförderten Programm „GeMuKi – Gemeinsam gesund: Vorsorge plus für Mutter und Kind“ konnte durch die begleitende Evaluation des IGKE der Universitätsklinik Köln gezeigt werden, dass Lebensstilinterventionen im Rahmen der gesetzlichen Vorsorgeuntersuchen wirken, jedoch verbindliche Rahmenbedingungen benötigen. Daher sollten Präventionsinhalte in diesem Zeitfenster Bestandteil der gesetzlichen Regelversorgung werden.
  • Präventionsdilemma: Mit dem Begriff des Präventionsdilemmas wird beschrieben, dass diejenigen (sozial benachteiligten) Bevölkerungsgruppen, die starken Bedarf an Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung haben, kaum von diesen profitieren. Daher ist es sinnvoll, dieser Herausforderung beispielsweise im Rahmen der „Europäischen Kindergarantie und durch den Nationalen Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ auch strukturell zu begegnen.
  • Ernährung und Bewegung: Neben einer ausgewogenen Ernährung ist die Säule der Bewegung unverzichtbar für einen gesunden Lebensstil. Daher brauchen wirksame Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung einen ganzheitlichen Ansatz: Ernährung, Bewegung – und idealerweise auch Stressregulation. Dies gilt ebenso für die oft ressortgebundenen Initiativen, Arbeitskreise, runden Tische etc. der öffentlichen Hand – die zumeist nur eine dieser Säulen berücksichtigen.
  • Verhalten und Verhältnisse: Die multifaktoriellen Ursachen (z.B. für Übergewicht) erfordern ein möglichst ganzheitliches Vorgehen. Dabei sind insbesondere die Maßnahmen wirksam, die die Ressourcen der Zielgruppen stärken (Verhaltensprävention) sowie die, die bestehende Strukturen in eine gesundheitsfördernde Richtung verändern (Verhältnisprävention). Solche Ansätze können auch zur Überwindung der sozial bedingten gesundheitlichen Ungleichheit beitragen. Dem Dachsetting Kommune kommt in der Verhältnisprävention eine Schlüsselrolle zu, da dies der Ort ist, wo Menschen leben, aufwachsen, lernen und arbeiten. Mit dem Programm „Kommunale Gesundheitsmoderation“ stärkt peb die Vernetzung und Zusammenarbeit der Akteur:innen der Gesundheitsförderung vor Ort.
  • Soziokulturelle Aspekte: Ernährung ist mehr als die Aufnahme von Nährstoffen. Genuss, Tradition und gemeinsame Esserfahrungen bieten erhebliches Potenzial, insbesondere hinsichtlich generationsübergreifender Wirkungen. Vor diesem Hintergrund wurde das Programm „Küchenpartie mit peb“ installiert, das über den Hebel des gemeinsamen Kochens unterschiedlicher Generationen die Ernährungskompetenz sowie die soziale Teilhabe stärkt.
  • Ernährungsbildung: Das Ernährungsverhalten wird in Kindheit und Jugend maßgeblich geprägt. Entscheidend ist hier, dass in den Lebenswelten entsprechend qualifizierte Fachkräfte wirken, die Kompetenzen zu nachhaltiger und ausgewogener Ernährung vermitteln. U.a. mit dem Programm „KULINARIX … is(s)t gesund!“ werden Kita-Fachkräfte entsprechend qualifiziert.

zu B. Kernpunkte der Ernährungsstrategie

  • Strukturen und Prozesse: Die Entwicklung einer gesundheitsförderlichen und nachhaltigen Ernährungsumgebung braucht das Zusammenspiel von Verbraucher:innen und Akteur:innen sowie Strukturen und Prozessen. Beispielhaft für die „intelligente Vernetzung und Zusammenarbeit […] auf allen Ebenen“ ist die Qualifizierung „Kommunale Gesundheitsmoderation“, für kommunale Akteure der Gesundheitsförderung, welche peb im Rahmen von IN FORM entwickelt und ausgerollt hat.
  • Vulnerable Gruppen: Die zentrale Herausforderung hinsichtlich der Stärkung der Ernährungskompetenz liegt in der Erreichbarkeit der vulnerablen Verbrauchergruppen (vgl. Ausführungen zu Präventionsdilemma). Mit der Entwicklung des Programms „Anfangsglück – Ernährung gemeinsam entdecken“ wendet sich peb mit den Partnern DSPN und PKV-Verband an Akteur:innen in Kommunen, die im Austausch mit (werdenden) vulnerablen Familien stehen. Diese werden inhaltlich und methodisch dahingehend gestärkt, (werdende) Familien für eine gesundheitsfördernde Ernährungsweise in den ersten 1.000 Tagen zu gewinnen. Damit verbindet das Programm Anfangsglück die Anforderungen des Eckpunktepapiers nach

    • möglichst früher Intervention,
    • intelligenter Vernetzung der betroffenen Akteur:innen,
    • der Fokussierung auf sozial benachteiligte Zielgruppen
    • sowie der Verknüpfung von verhaltens- und verhältnispräventiven Ansätzen.

zu C. Weiteres Verfahren

Die Plattform Ernährung und Bewegung ist weiterhin gerne bereit, ihre Expertise im Rahmen des transparenten Partizipationsprozesses zur Entwicklung der Ernährungsstrategie der Bundesregierung einzubringen. Dies gilt insbesondere für die Handlungsfelder:

  • One Health: peb kann zur systematischen Verzahnung der Akteur:innen in den Handlungsfeldern Gesundheitsförderung sowie Umwelt- und Klimaschutz und zur Nutzung der entsprechenden Synergiepotenziale beitragen.
  • Kindergesundheit – erste 1.000 Tage: peb kann seine langjährige Expertise bzgl. dieser prägenden Phase einbringen (Programme: „9+12 – gemeinsam gesund“, GeMuKi – Gemeinsam gesund: Vorsorge plus für Mutter und Kind“, Anfangsglück – Ernährung gemeinsam entdecken“).
  • Vulnerable Zielgruppen: peb entwickelt Lösungsansätze, um dem Präventionsdilemma entgegenzuwirken (Programme: „Lecker tafeln“, Anfangsglück – Ernährung gemeinsam entdecken“, „Die Küchenpartie mit peb“).
  • Ganzheitlichkeit – Ernährung und Bewegung: peb steht dafür, die Handlungsfelder Ernährung und Bewegung (sowie Stressbewältigung) zu integrieren, sowie dafür die entsprechenden Akteure:innen, Themen und Strukturen zu verknüpfen.
  • Strukturen und Prozesse: peb arbeitet mit Akteur:innen der Gesundheitsförderung – insbesondere auf kommunaler Ebene – um Netzwerke und Strukturen zu stärken (Programm: „Kommunale Gesundheitsmoderation“)

Die Plattform Ernährung und Bewegung ist gerne bereit – und als breite gesellschaftliche Plattform in besonderer Weise geeignet – im Rahmen eines zu schaffenden Begleitgremiums an einem kontinuierlichen und offenen Dialog zur (Weiter)Entwicklung und Umsetzung der Ernährungsstrategie der Bundesregierung mitzuwirken.

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Literatur

1 Aue, K., & Korsten-Reck, U. 2016. Perinatale Programmierung und langfristiges Übergewichtsrisiko. Bewegungstherapie und Gesundheitssport, 32(1), S. 4-8. doi:10.1055/s-0041-111411           

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3 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. 2023. Eckpunktepapier: Weg zur Ernährungsstrategie der Bundesregierung. 21.12.2023 [online] [letzter Zugriff: 05.04.2023]

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5 Gemeinsamer Bundesausschuss – Innovationsausschuss: GeMuKi – gemeinsam gesund: Vorsorge plus für Mutter und Kind. 14.04.2023 [online] [letzter Zugriff: 14.04.2023]

6 Goldapp C., Cremer M., Graf C. et al. Qualitätskriterien für Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Primärprävention von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen. Ein BZgA-geleiteter Expertenkonsens. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz

7 Herbert-Maul, Annika, et al. Präventionsdilemma auf kommunaler Ebene? 2022. Prävention und Gesundheitsförderung. S. 1-8.

8 Lehmann, F., et al. 2011. Kriterien guter Praxis in der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten. Ansatz - Beispiele - weiterführende Informationen. 5. Aufl. Köln: BZgA;

9 Plagemann A, Dudenhausen JW, Hrsg. 2010. Adipositas als Risiko in der Perinatalmedizin. Springer Medizin, München.

10 Plattform Ernährung und Bewegung: Das Projekt GeMuKi ist abgeschlossen. Erste Ergebnisse und Erkenntnisse. 14.04.2023 [online] [letzter Zugriff: 05.14.2023]

11 Plattform Ernährung und Bewegung: Kommunale Gesundheitsmoderation. 14.04.2023 [online] [letzter Zugriff: 14.04.2023]

12 Plattform Ernährung und Bewegung: KULINARIX...is(s)t gesund. 14.04.2023 [online] [letzter Zugriff: 14.04.2023]

13 Reeske, A. 2013 Gesundheitliche Ungleichheit bei Schwangeren und Säuglingen mit und ohne Migrationshintergrund. Ein Fokus auf frühe Risikofaktoren für kindliche Adipositas. Diss. Universität Bremen

14 Renner, Britta, et al. 2021. DGE-Positionspapier zur nachhaltigen Ernährung. Ernährungs-Umschau 68.7. S.144-154.

15 Wabitsch, M. 2006. Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. Internist 47, S. 130–140. https://doi.org/10.1007/s00108-005-1559-6

 

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